Der mitteleuropäische Mann deutscher Muttersprache ist gerne logisch und exakt. Andere würden sagen: Verkopft. Und obwohl ich mich eigentlich nicht zu dieser Kaste zähle, gehöre ich scheinbar mehr dazu als mir lieb ist.
Samstagabend, Netflix, Julia sucht uns einen Film: La Tribu – Rhythmus liegt in der Familie. Der Titel allein hätte mich skeptisch stimmen müssen! Nach einem lautstarken Vorspann voller Tanz bleibt ein spanischer Geschäftsmann in seiner Sekretärin stecken, ja stecken … . Anstatt diesen Jux einfach hinzunehmen überprüfe ich natürlich sofort ob sowas denn möglich ist. Ich frage Ecosia: „Kann ein Penis in einer Vagina steckenbleiben?“. Kann er nicht! Haha, ertappt, der Film ist unrealistisch.
Fast den Anschluss verpasst, schaue ich selbstzufrieden weiter. Es folgen gefühlte tausend Tanzszenen und gut ein dutzend unlogischer Handlungsstränge. Wieder startet mein Verstand seinen Motor. Er muss jetzt alle unlogischen Szenen im Geiste wieder gerade biegen UND den Film gleichzeitig entsprechend mit „so a Schaas“ verurteilen.
Mein Hirn auf Hochtouren, liege ich also auf der Couch und drehe mich ab und zu nach rechts, um kundzutun: „So a Schaas“. Anstrengend dieser Samstag. Doch irgendwann gibt mein Neocortex dann w.o. und ich höre auf zu analysieren. Ein Segen! Denn beim Filme schauen ist ANALysieren, wie der Name schon sagt, für den Oarsch!
Von nun an übernehmen die Emotionen das Geschehen und ich tauche immer tiefer in die Leichtigkeit dieses Schnulzenfilmes. Anstatt die fehlende Struktur zu bemängeln, fiebere ich nun mit und lass mich auf all die Gefühle und den Tanz ein. Zum Schluss kommt mir dann fast noch eine Träne hoch, als Alles doch noch gut ausgeht ... . Hui, zufrieden falle ich ins Bett und schlafe ein.
Was für ein Samstagabend! Begonnen hat er mit einem verdammt anstrengenden Film. Einem zum Lästern und sich darüber ärgern. Geendet hat er mit einer Träne auf der Wange und einem wohligen Gefühl von Einfachheit. Der Film an sich blieb immer der Gleiche. Nur meine Einstellung hat sich geändert - und das war der Schlüssel zum Erfolg. Solch eine Änderung braucht es aber nicht nur beim Film schauen, sondern im täglichen Leben. Auch dort müssen wir uns wieder stärker von all unseren Urteilen lösen, wenn wir ein befreites und gutes Leben führen wollen.
Danke für dieses Learning - oh Du mein lieber Schnulzenregisseur. Du bist ein Psychologengott 🙂
Viva España !
Stefan, el Pirado